Alles hat eine gute Seite! Auch Corona!
- Gepostet am 23.03.2020 19:06
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Als ich die ersten Nachrichten über den Corona-Ausbruch in China hörte, da nahm ich diese Berichte gar nicht ernst. Ich bin mit diesen Meldungen von klein auf konfrontiert gewesen, so wie glaube ich alle meine Altersgenossen die unter 25 Jahre alt sind. HIV, Schweinegrippe, Vogelgrippe, MERS, SARS, Ebolafieber, Malaria... ich glaube meine Generation ist teilweise sogar abgestumpft, zumindest nahm ich es zu Anfang dieser Corona-Krise auch in der Schule von meinen Mitschülern so wahr. Wenn ich mal wieder einen Raucherhusten-Anfall hatte, denn ich rauche schon seit meinem 10ten Lebensjahr und auch der viele Ausdauersport hat meine Lunge nicht gerettet und so leide ich nunmal des öfteren unter Halskratzen und Reizhusten, so wurde es sofort ironisch mit dem SARS-CoV2-Virus in Verbindung gebracht und ein Witz darüber gerissen. In der letzten Woche des Unterrichts, bevor dann die Schule schloss, merkte ich, dass die Stimmung sich wandelte: Sie begannen das Thema ernst zu nehmen.
Auch ich habe dieses Thema lange nicht ernst genommen: "Yo, und nächstes Jahr dann die Tauben-Angina!"... nunja... jugendlicher Leichtsinn... ich hatte mich eigentlich immer für reifer als meine Kurskameraden gehalten, doch letztendlich sind wir uns alle ähnlich, alle ähnlich blöd.
Am 01.03. begann ich offiziell in meiner neuen Wohnung einzuziehen. Zu diesem Zeitpunkt war Corona noch kein so großes Thema und in mir tobte der Tatendrang: Meine erste eigene Wohnung! Meine erste eigene Location! Mein erstes eigenes richtiges Unternehmen!
Ich wollte sehr zielstrebig an diesem Ziel festhalten: ERÖFFNUNG AM 21.03! Hatte deshalb keine Kosten und Mühen gescheut, denn ich wollte etwas eigenes schaffen und es sollte etwas sein, dass meinen eigenen hohen Ansprüchen entspräche.
Tatsächlich habe ich es erreicht: Die Wohnung ist top eingerichtet und die Homepage fast vollendet.
Es war ein ambitioniertes Ziel die knapp 100qm große Wohnung innerhalb von 2 Wochen komplett bis ins Detail einzurichten und gleichzeitig eine viele Seiten umfassende professionelle Homepage zu schreiben und noch dazu hatte ich in geringfügigem Umfang noch Escort betrieben, zumindest einmal am Tag ab 450€, damit es auch wirklich nur ein und nicht mehr Termine sein würden, denn wenn es mehr gewesen wären, dann wären meine sonstigen Pläne, die Location, die Homepage und dass ich mehr für das Abitur lernen wollte, auf der Strecke geblieben.
Ich hatte mich so gut vorbereitet und ich hatte mich so gefreut am 02.04. die Deutschprüfung, die erste aller Prüfungen, zu schreiben und nun sind auch die Abiturprüfungen nach hinten verschoben worden. Das ärgert mich schon ein wenig...
Diese Situation im Moment ist so undruchsichtig... man klickt sich durch die Seiten, egal ob Wikipedia, WHO, Robert-Koch-Institut, Science oder sonstiges, man findet teilweise sogar wiedersprüchliche Angaben und letztendlich kann man im Moment nicht arbeiten ohne ein hohes Risiko einzugehen. So schön die neu eingerichtete Location auch sei, aber nun wird sie ruhen müssen und mir bis die Krise vorbei ist nur noch als zu Hause und nicht mehr auch zum Empfang meiner Gäste dienen.
Es ist aber keineswegs so traurig, wie es erscheinen könnte: Nein es ist sogar ein Gewinn!
Ich habe seit Juli 2019 bis März 2020 quasi sogut wie pausenlos durchgearbeitet und durchgelernt... ich habe 8 Monate in einem Rotlichtsperrbezirk, genauer gesagt in der Mannheimer Lupinenstraße gewohnt, gearbeitet, gelebt und geweilt, bei lauter in den Fluren hallender Musik und Geschrei versucht in den Schlaf zu finden, bin um 6 Uhr wieder für die Schule aufgestanden, nach meist nicht einmal 4 Stunden Schlaf und um keine Zeit durch die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu verlieren habe ich Termine angeboten, die damit verbunden waren mich von der Schule abzuholen. Ich wollte etwas schaffen: Sicherheit und Anerkennung vor meiner selbst.
Ich war mit NICHTS also wirklich GAR NICHTS in diese Straße gekommen, quasi mit leerem Geldbeutel, einem Rucksack mit meinen Sachen und ein paar Kartons mit Büchern, Ordern und Krimskrams, die in einer nicht mir gehördenden Wohnung untergebracht waren. Damals wusste ich noch nicht so genau wo die Reise hinführen würde, ich wusste nur eines: Ich muss dieses Abitur schaffen!
Ich begann zu arbeiten und zu lernen und ich begann zu wachsen und dann begann ich noch mehr Pläne zu schmieden, die über das Abitur hinaus gingen, denn ich hatte einen Beruf gefunden, der mir Spaß macht und den ich gekonnt ausüben kann. Es kam noch ein weiteres Ziel zum Abitur hinzu: Selbstständig in einer eigenen Privatwohnung zu arbeiten und dies noch für viele Jahre und möglichst erfolgreich! Ich könnte in keiner besseren Region sein als hier, um diese beiden Ziele, also die naturwissenschaftliche, als auch die Prostitutions-Karriere gemeinsam nach vorne zu treiben, denn hier boomt das Geschäft und hier sind die Hochschulen und Universitäten, die die Studiengänge anbieten, die mich interessieren.
Es sollte nun beides sein und es soll beides perfekt sein!
Die Coronapause ist nicht schlecht für mich, nein sie tut mir gut. Es ist eigentlich die Gelegenheit für mich, mich einmal auf mich selbst zu konzentrieren und nicht nur auf Erfolg und Leistung, nicht nur auf das, was andere in mir sehen und was ich gerne in mir sehen würde, sondern nun kann ich Bilanz ziehen, kann in mich gehen und sehen was ich bin und nicht immer nur, was ich gerne sein würde. Ich habe so viele Hobbys vernachlässigt: Den Dauerlauf, das Zeichnen, das Schreiben und Lesen... ich habe die Zeit und die Küche um für mich zu kochen, jetzt habe ich die Möglichkeiten mich, also meinen Geist und meinen Körper zu reinigen und du läutern. Es wird meiner Konzentrationsfähigkeit in den Prüfungen und auch darüber hinaus nur gut tun können. Ich hatte über 8 Monate lang keinen einzigen Film gesehen und wenn dann nur Ausschnitte davon und nun konnte ich mir endlich mal wieder etwas gönnen. Corona zwingt mich zum pausieren, weil ich mir das selbst niemals gönnen würde, weil ich selbst immer nur in den Spiegel sehen und immer nur auszumerzende Schwächen, aber die den Bedarf sehen kann. Wenn ich auch auf Dauer für alle Menschen gut sein will, dann werde ich auch mir selbst gegenüber gut sein müssen, denn ich brauche meine Kraft und ich brauche Regeneration. Es ist schon auch in wenig mit dem Dauerlaufen vergleichbar: Es ist unmöglich 20km lang zu sprinten... es geht in Intervallen, in Phasen oder in einem gleichbleibend gering belastendem Tempo, denn an erster Stelle steht das Ziel die 20km zu überwinden und an zweiter Stelle das Ziel es so schnell wie möglich zu tun, doch das Zweite geht nicht ohne das Erste.
Vielleicht habe ich auch zu ambitioniert gedacht, war zu sehr fokussiert. Ich kann jetzt ganz gemütlich durch die Online-Shops blättern und mir noch schöne Dinge aussuchen, die vielleicht hier und da in der Wohnung noch fehlen.
Ich habe die Zeit ohne Termine heute (23.03) und gestern genutzt um mein Spaßzimmer/Spielzimmer (ich bin mir dessen noch nicht sicher, wie ich das Zimmer nennen soll... Arbeitszimmer klingt irgendwie so deromantisierend, so unpersönlich und unspaßig, irgendwie nicht dem Zweck dienlich...) endgültig fertiggestellt.
Es gab ein paar Lieferschwierigkeiten das Bett betreffend und ich musste das eine stornieren, da es sich zu weit nach hinten zog und bestellte ein anderes, dass dann aber auch 3 Tage zu spät kam und heute kam es endlich bei mir an. Ich hätte die Möglichkeit gehabt viele Menschen zu bitten mir das Bett aufzubauen und sie hätten es gerne getan, doch ich sah diese riesigen Kartons, die mir auf einer Palette in den Hausflur geliefert wurden und da wusste ich, dass dies allein meine Aufgabe sein würde und TADA! Ich habe ganz alleine und ohne jede fremde Hilfe ein 2 x 2 meter großes Boxspringbett aufgebaut. Habe ganz alleine eine 50kg schwere Matratze darauf gelegt, habe ganz alleine die LED-RGB-Beleuchtung um die riesigen Spiegel über und hinter dem Bett und unter dem Bett herum angebracht und angeschlossen und wenn ich nun in diesem Zimmer stehe bin ich stolz einen Traum in die Realität umgesetzt zu haben... der Moment in dem man sieht, was man geschaffen hat. Corona lässt es zu, dass ich ihn in Ruhe genießen kann...
Ich stehe hier in diesen wunderschönen Räumen und erinnere mich an den Nullpunkt zurück, sehe nun was ich aus dem Nichts heraus geschaffen habe, wie ich von der quasi Obdachlosigkeit, über die Rotlichtstraße bis in das 100qm große Luxusappartment kam und ich trage meinen Prostitutionsausweis mit stolz und ich sollte ihn eigentlich jedes Mal küssen, dass ich ihn in Händen halte, denn er gibt mir die Möglichkeit meine Fähigkeiten legal zu nutzen, meine Ziele zu erreichen und ein anerkannter Teil der Gesellschaft zu sein.
Ich werde diese Pause nun nutzen und mich anders zu verbessern als bisher. Ich werde mich auf mehr Sport, mehr geistige Betätigung, eine gesündere Ernährung, das Schaffen emotionaler Stabilität und auf die letzten Feinschliffe an meinem neuen zu Hause konzentrieren und wenn SARS-CoV2 seinen festen Griff um die Gesellschaft gelockert haben wird, dann werde ich erneuert, verbessert, verschönert, beruhigt und ausgeglichen neu starten können.
Ich glaube, dass jede Krise etwas gutes für alle Menschen mit sich bringt. Viele müssen jetzt Homeoffice betreiben, sind mehr zu Hause bei ihren Familien, bei ihren Frauen und Kindern und an sich rücken die Menschen in den Haushalten näher zusammen. Man telephoniert und schreibt mehr mit seinen Verwandten und Freunden und man wird achtsamer. Wir lernen etwas aus den Herausforderungen, die uns gestellt werden. Ohne diese Krisen, Herausforderungen, Kriege und Probleme würden wir niemals gemeinsam wachsen können. Das haben auch vergangene Krisen in der Geschichte immer wieder bewiesen. Der gemeinsame Feind zeigt die Verbundenheit der Menschen zueinander und in sofern kann ein Feind wichtiger für die persönliche Entwicklung sein, als ein Freund. Doch beide sind sie selbstverständlich auf ihre Art wichtig.
Doch natürlich vergesse ich auch nicht die Opfer... es gibt Verlierer in dieser momentanen Phase, so wie sie es in allen Krisen bisher gab, doch es liegt zu einem Großteil an uns selbst zu welcher Gruppe wir zählen. Auf der anderen Seite gibt es auch diejenigen, die nichts dafür können, dass sie natürlicher Weise zu den Schwächeren zählen und dies sind vor allen Dingen diejenigen die alt oder ohnehin lungenkrank und/oder immunsuppressiv sind. Die natürliche Selektion ist gnadenlos und sie ist nicht "human", sie denkt nicht moralisch so wie wir und sie kennt kein Mitleid... und das ist schwer mit anzusehen für uns Menschen, als die wir durch das soziale Miteinander geprägt sind.
Diejenigen, die immer nachhaltig und weitsichtig planten, Rücklagen schufen und auf Sicherheit setzten, diese werden jetzt für ihren Eifer und ihre Disziplin belohnt werden.
Wir sollten mehr sehen, als nur die Gefahr, sondern wir sollten sehen, dass die Gefahr uns unterschiedlich prägen kann und wir sind verantwortlich dafür auf welche Weise sie dies tut.
Bleint mutig, haltet das Haupt oben und bleibt vor allem gesund!
Ich wünsche allen Menschen Glück, Gesundheit, Kraft und den Beistand, den sie vielleicht brauchen! Wir sind geboren um zu streben, egal gegen welche Kräfte, seien sie humaner oder natürlicher Art.
Es schrieb euer Freudenmädchen Leonie